Der Besuch der Parkanlage und der Königlichen Villa lässt die Besucher in eine Vergangenheit eintauchen, die bis ins Mittelalter, Epoche des Ursprungs des Komplexes, reicht. Sowohl die verschiedenen Bauten und ihre Dekors als auch der Park mit seinen unterschiedlichen Teilen und Ausschmückungen, die wir heute sehen, sind das Ergebnis verschiedener, von illustren Persönlichkeiten und Königsdynastien gewollter, baulicher Eingriffe im Laufe der Jahrhunderte.
Die Ursprünge der Villa
Ursprünglich war die Villa der Lucchesia eine kleine Festung, die vom Herzog von Tuscia bewohnt wurde. Der Besitz ging in der Folge an Adelsfamilien aus Lucca, Kaufleute und Bankiers, welche die Festung in einen herrschaftlichen Palazzo verwandelten. Der Konkurs zwang die Familie Buonvisi zum Verkauf vieler ihrer Familienbesitze, darunter auch der Villa von Marlia.
1651 kauften Olivieri und Lello Orsetti die historische Residenz. Sie ließen bauliche Veränderungen an der Villa vornehmen und gestalteten den Park nach barockem Geschmack um, indem sie Wege und spektakuläre, bis heute existierende Gärten wie das Grüne Theater und den Zitronengarten anlegen ließen. Ihnen ist zudem der Bau des eleganten Uhrenpalasts mit der Panoramaloggia aus dem 18. Jahrhundert zu verdanken.
Das Napoleonische Zeitalter
1806 kaufte Elisa Bonaparte Baciocchi, Napoleons Schwester und Prinzessin von Lucca, das Anwesen. Sie war mit der Villa Reale von Marlia stark verbunden. Sie ließ denn auch die bedeutendsten Veränderungen an der Villa und den Gärten vornehmen. Bereits kurz nach dem Kauf zog Elisa die angrenzende Bischofsvilla in die Anlage mit ein, in deren Garten sich auch die reich geschmückte Grotte des Pan, ein Nymphäum aus dem 16. Jahrhundert befindet. Sie veranlasste auch die Modernisierung der Fassade des alten Palazzo Orsetti in neoklassizistischem Stil sowie die Neuausstattung der raffinierten Innenräume im Empirestil, die heute von Grund auf restauriert und besichtigbar sind.
Sie ließ sich von der Malmaison, der Privatresidenz von Napoleon und Joséphine in der Nähe von Paris inspirieren und veranlasste die Neugestaltung des Parks im Stil des Englischen Gartens: Dies war für Italien so außergewöhnlich, dass selbst der österreichische Prinz von Metternich begeistert von dem im ganzen Land einzigartigen Park im englischen Stil mit einer so großen Vielfalt an verschiedenen Pflanzenarten berichtete. Sein Aufenthalt ist Zeugnis der Lebendigkeit des Lebens am Hof, den auch bedeutende Künstler wie Niccolò Paganini mit seinen Besuchen beehrte. In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist auch, dass die Erstaufführung von Racines Phädra im Grünen Theater von Marlia stattfand.
Die bedeutendste Veränderung der antiken Villa bestand in der perspektivischen Ausdehnung des Vorplatzes bzw. einer Absenkung, welche die Landschaftslinie nach romantischem Vorbild hervorstreicht. Die Parkanlage der Villa Reale wurde zudem durch neue Arten, unter anderen die berühmten Kamelien, welche die Alleen säumen, bereichert, und es wurden Statuen und Vasen aus weißem Marmor aus Carrara hinzugefügt.
Die Dynastie der Bourbonen
Nach Napoleons Fall musste Elisa ihr Reich 1814 verlassen. Lucca wurde zum Herzogtum, welches Karl Ludwig von Bourbon zugeteilt wurde. Die Villa Reale wurde zur Sommerresidenz der neuen Herrschaft, welche hier prächtige Tanzfeste veranstaltete, zu denen oft hochgeehrte Gäste des Adels und der Herrscherklasse eingeladen waren.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war für das Anwesen eine unglückliche und bewegte Zeit. Der Besitz ging zuerst an das Königreich Italien und somit an Vittorio Emanuele II über, der ihn Penelope Carolina, der Witwe von Karl von Bourbon, Prinz von Capua, überließ.
Nach dem Tod von Penelope Carolina 1882 ging der Besitz von Marlia an ihre Kinder Vittoria Augusta und Francesco Carlo, der aufgrund seiner Geisteskrankheit auch ‘der verrückte Prinz’ genannt wurde. Nach dem Ableben seiner Schwester Vittoria verschuldete er sich und wurde in der Folge von einem Vormund betreut, der sich um seine Besitztümer kümmerte: Die Villa Reale wurde zum Verkauf ausgeschrieben, ein großer Teil des Hausrats versteigert, und viele alte Bäume der Parkanlage gefällt und als Nutzholz verwendet.
Die Villa Reale vom 20. Jahrhundert bis heute
Der Graf und die Gräfin Pecci-Blunt erwarben die lucchesische Villa 1923. Im darauf folgenden Jahr beauftragten sie den berühmten französischen Architekten Jacques Gréber mit der Restaurierung des Parks und der Gärten mit der Absicht, Tradition und Innovation zu vereinen. Die Schaffung von Wäldern, Bächen, einem See und die Hinzufügung idyllischer Elemente machten die Romantik der Gartenanlage vollkommen.
Neue, noch immer existierende und jetzt restaurierte Elemente in eklektischem Stil prägen die Parkanlage: der Spielpavillon, heute als Café für unsere Besucher genutzt, sowie ein sportlicher Aktivität gewidmeter Teil mit dem Schwimmbad, der noch immer eine der Hauptattraktionen darstellt. Dieser Komplex besticht vor allem seiner ungewöhnlichen Umkleidekabinen im Jugendstil, dem hölzernen Sprungbrett und der lebhaften Farbgebung wegen. Das Schwimmbad verfügt zudem seit seiner Konstruktion über einen leistungsstarken Heizkörper für die Warmwasseraufbereitung.
In Erwartung der nächsten, von den aktuellen Besitzern bereits geplanten Phase der Gesamtrestaurierung erinnern wir an die illustren Persönlichkeiten, darunter der Maler Salvador Dalì und der auch das Krocketspiel liebende Schriftsteller Alberto Moravia, die hier unbeschwerte Tage verbrachten. Die Familie Pecci Blunt, die ein Leben zwischen Weltoffenheit und Zurückgezogenheit führte, beherbergte viele, teilweise sehr berühmte Gäste und verbrachte die Sommermonate in der ruhigen Villa der Lucchesia. Besonders dank der großen Mäzenin und Entdeckerin von Talenten, der Gräfin Anna Laetizia, Mimì genannt, war die Villa Reale zu jener Zeit ein richtiges Zentrum des kulturellen Lebens. Unter den berühmten Gästen waren auch Jean Cocteau, Paul Valéry und der Maler Afro, um nur einige zu nennen. Das mondäne Sozialleben der Villa zog zudem Adelige und internationale Gäste des Jetset wie Jacqueline Kennedy und die Herzöge von Windsor an.
2015 kauften die aktuellen Besitzer die in der Zwischenzeit heruntergekommene historische Villa, in die sie sich verliebt hatten. Sie machten es zu ihrer Aufgabe, dem Anwesen seinen alten Glanz zurückzugeben sowie es erstmals zugänglich zu machen und damit der Öffentlichkeit den Genuss der bisher versteckten Schönheit zu ermöglichen. Sie veranlassten umgehend umfassende Wiederherstellungsarbeiten, die Sanierung der Parkanlage und widmeten der bestehenden Vegetation besondere Aufmerksamkeit. Nach wenigen Monaten trafen sie aber bereits auf die ersten Schwierigkeiten in Form eines außerordentlichen Unwetters. Zahlreiche alte Bäume fielen den starken Windböen zum Opfer und die Arbeiten wurden erschwert. Die Sanierung des Parks und die sorgfältige Restaurierung der Bauten wurde und wird aber dennoch fortgeführt.
Die bemerkenswerte Ausdauer der Besitzer hat der Gegend eine der schönsten Villen der Lucchesia wiedergegeben und sie öffentlich zugänglich gemacht.